K.I.S.S - 2-jährige Weiterbildung

Kunst durch Improvisation, Spontanität & Schauspiel

Der Weg zum improvisierenden Bühnenprofi

Improvisation ist für uns eine Methode, zeitgenössisches und gleichzeitig zeitloses Theater hervorzubringen, ein Weg zur Kunst. Darüber hinaus ist sie aber auch ein wertvoller Weg zur Persönlichkeitsentwicklung. 

Mitten in der Pandemie haben wir in Karlsruhe, für den gesamten deutschsprachigen Raum, eine ganz neue 2-jährige Weiterbildung gestartet, die uns sehr am Herzen liegt. Sie umfasst 20 spannende Wochenendemodule in einer festen Ausbildungsgruppe. Die Module bauen aufeinander auf und bieten einen nachhaltigen und gründlichen Weg zum Improvisationsschauspiel. 

Wir vermitteln den Teilnehmenden alles, was wir im Lauf von 25 Jahren auf der Bühne gelernt haben. Das sind neben klassischen Schauspieltechniken insbesondere Techniken und Grundhaltungen von Keith Johnstone, Viola Spolin, Del Close, Ruth Zaporah und viele eigene Entdeckungen, vor allem das Theaterspiel mit archetypischen Grundkonstellationen. Wichtig ist uns auch die Vermittlung der wesentlichsten theoretischen Konzepte, der Geschichte und künstlerischen Ansätze dieser vitalen Kunstform, sowie Wege, wie man damit auf der Bühne sehr persönlich werden kann.

Darüber hinaus geht es uns um die Professionalisierung* der Improvisation vor dem Hintergrund, dass der Mindset der Improvisation im kommerziellen Kulturbetrieb durchaus Schaden nehmen kann. Die Teilnehmenden sollen ein grundlegendes Verständnis der eigenen professionellen Rolle bekommen, um auch in den Stürmen und Versuchungen des professionellen Theatermachens das Eigentliche der Improvisation bewahren zu können. 

Die Teilnehmenden werden improvisierte Aufführungen auf hohem Niveau spielen können, ihre Künstler*innen-Persönlichkeit weiterentwickelt und eine intensive persönliche Reise zu sich selber gemacht haben.

*Unter professionell verstehen wir, dass man sich so verhält, dass die jeweilige Arbeitsbedingungen für alle Akteur:innen im Feld langfristig gut bleiben.

Der aktuelle Ausbildungsjahrgang läuft bereits mit Teilnehmenden aus Deutschland, Luxemburg und der Schweiz.

Der nächste Ausbildungsjahrgang startet Anfang 2025. Bewerbungen nehmen wir ab Anfang 2024 gerne entgegen. 

Ausbildungsziele & Inhalte

Die Ausbildung setzt sich aus zwei Teilen zusammen

Im ersten Jahr entwickeln die Teilnehmenden ihre Spieler:innen-Persönlichkeit weiter, tauchen tief in das Zusammenspiel von Figur und eigenem Selbst ein und wagen eine intensive persönliche Reise zur eigenen Biographie, Körperlichkeit, Emotionalität und sozialen Prägung. Als zentrales Konzept dient uns hier das Archetypenspiel, das nicht esoterisch verstanden wird, sondern als bewährtes Instrument des Storytelling.

Im zweiten Jahr sprechen wir die Teilnehmenden als Künstler:innen an und ermutigen sie, eine differenzierte Künstlerposition zu suchen, um im nächsten Schritt eine künstlerische Vision und Klarheit in der professionellen Rolle zu finden. Dazu gehört neben einer Auseinandersetzung mit den ästhetischen Möglichkeiten der Improvisation und dem künstlerischen Wollen auch die Reflektion ethischer Konflikte und generell das professionelle Agieren im Feld.

Die Ausbildungsmodule 

im ersten Jahr

  • 1. Flow, Point of Concentration und der Tod des Kritikers

    Spielfreude ist der Motor der Improvisation. Ohne sie geht nichts. In diesem Modul aktivieren die Teilnehmenden ihre Spielenergie, finden Blockaden, setzen sich mit ihrer eigenen Spielgeschichte auseinander und lernen ihren inneren Kritiker kennen – um ihn (oder sie) zum Schweigen zu bringen.

  • 2. Gefährten, Unterstützer und das Kind

    Unterstützende Figuren sind entscheidend für den Aufbruch in eine Held:innenreise. Ohne Gefährten wird diese Reise eine emotional öde und trostlose Sache. In diesem Modul setzen sich die Teilnehmenden mit unterstützenden Figuren auseinander, erweitern ihre eigene Fähigkeit, Bühnenpartner emotional zu supporten und identifizieren Unterstützer:innen in ihrem wirklichen Leben

  • 3. Schwellenhüter, Mütter und Behinderer

    Ein Drama lebt von Widerständen und Konflikten. Die entsprechenden Figuren müssen klar und standhaft sein. In diesem Modul lernen die Teilnehmenden, warum Schwellenhüter und andere blockierende Figuren nicht wirklich negativ sind, sondern Anlässe, die eigene Energie zu steigern. Sie setzen sich mit ihrer eigenen Fähigkeit zum Neinsagen auseinander und identifizieren Schwellenhüter in ihrer Biographie und in ihrer aktuellen Situation.

  • 4. Held:innen, Trickster und Mentoren

    Die Held:innenreise fokussiert logischerweise auf eine zentrale Figur. In diesem Modul lernen die Teilnehmenden verschiedene Formen von Held:innen kennen und wie man diese mit einem klaren Spielziel ausstattet. Dabei werden auch die Qualitäten der Trickster als Noch-nicht-Held:innen und der Mentoren als Früher-mal-Held:innen beleuchtet. Die eigene Befähigung zur Heldin, zum Held, wird reflektiert und ausgeweitet.

  • 5. Anima und Animus

    Die Begegnung mit einem begehrenswerten Menschen und die Sehnsucht nach Liebe fehlen in kaum einer Geschichte. In diesem Modul werden Begegnungen mit dem Begehren vom Flirt bis zur Bettgeschichte angespielt. Die Teilnehmenden lernen, die entsprechenden Energien freizusetzen und einzuschätzen, wie weit sie auf der Bühne gehen wollen. Es werden Techniken vermittelt, Intimität auf der Bühne darzustellen, ohne peinlich, übermäßig explizit oder (selbst)verletzend zu werden.

  • 6. Schatten, Säcke und düstere Gestalten

    Bösewichte und dunkle Figuren sind Grundbausteine für die meisten Geschichten. Die Held:innen steuern auf eine unvermeidliche Konfrontation zu und müssen sich mit destruktiven, unmoralischen, faulen und narzisstischen Charakteren beschäftigen. Die Teilnehmenden lernen, dunkle Figuren zu spielen und sich mit entsprechenden Charakteren und Impulsen in ihrem eigenen Leben auseinanderzusetzen. Es werden Techniken vermittelt, Aggression und Gewalt auf der Bühne adäquat darzustellen.

  • 7. Das Archetypenspiel

    Archetypen kann man als Grundelemente von Geschichten verstehen und verwenden. In diesem Modul lernen die Teilnehmenden, Archetypen sowohl intellektuell als auch emotional und körperlich zu verinnerlichen und ihr Zusammenspiel auf der Bühne zu arrangieren. Sie entwickeln ein Gefühl dafür, wann eine bestimmte Qualität in einer Geschichte fehlt und wie diese über einen Archetypus eingebracht werden kann.

  • 8. Heldenreisen und andere Masterplots

    Plots sind die Grundstruktur von Geschichten, sozusagen ihr Skelett. Dieses Modul widmet sich dem wahrscheinlich universellsten Plot, der Heldenreise, und geht von dort weiter zu anderen Plots wie sie von Drehbuchautor:innen identifiziert und beschrieben wurden. Die wichtigsten Plots werden auf einfache Art in Übungen erarbeitet. Gleichzeitig wird die universelle Dramaturgie in Form der 5-Akt Struktur ausführlich veranschaulicht und erprobt.

  • 9. Souvenirs des Lebens – im Spiel mit der eigenen Biographie

    Virtuose Geschichten sind nur dann wirklich tief, wenn sie mit eigenen Anteilen, Erlebnissen, Haltungen, kurz mit dem eigenen Selbst, verbunden sind. Dieses Modul stellt eine Verbindung zwischen der eigenen Biographie der Teilnehmenden und den Geschichten her, die sie erzählen können und wollen. Die Teilnehmenden entwickeln ein Gefühl dafür, welches persönliche Material ihnen zur Verfügung steht und welches sie öffentlich verwenden wollen.

  • 10. Emo-Streaming – Gefühle darstellen und verwenden

    Theater kreist um Gefühle und sowohl die Spielenden als auch das Publikum will ein emotionales Erlebnis. In diesem Modul werden schauspieltheoretische Zugänge vorgestellt, inside-out und outside-in, heiße und kalte Schauspielende usw. Die Teilnehmenden lernen eine eigens von uns für das Improtheater entwickelte, einfache Technik kennen, das Emo-Streaming. Sie erproben den Einsatz von Gefühlen auf der Bühne als Spielende, als Anspielpartner:in und in der Rolle der Zuschauenden.

Die Ausbildungsmodule

im zweiten Jahr

  • 11. Listen to the game – Gamebuilding und Gamebreaking

    Das zentrale Konzept der Chicagoer Schule der Improvisation, das Game, ist in der Lage, kollektive Kreativität zu kanalisieren und gleichzeitig interessante theatrale Dynamiken freizusetzen. In diesem Modul lernen die Teilnehmenden, wie man die Achtsamkeit für das jeweils aus dem Nichts entstehende Game entwickelt, wie man das Game aufnimmt und steigert. Weiterhin lernen sie, wann ein Game «ausgespielt» ist und wann es gebrochen werden sollte, um ein neues Game zu beginnen.

  • 12. Schnitttechniken – Harold und die Collage

    Aufbauend auf dem Konzept des Game wird die zentrale Spielform «Harold» von Del Close erarbeitet. Es umfasst neben konkreten und abstrakten Games auch die Entwicklung eines Gespürs für Timing, Editing und Schnitttechniken. Über den «Harold» lernen die Teilnehmenden, welche Lücken man in einem Kunstwerk lassen muss, damit die Zuschauer sie mit ihrer Imagination und ihrem Innenleben füllen können.

  • 13. Surrealismus, Dada und die Kunst des öffentlichen Träumens

    Improvisation macht Spaß, ist aber auch Teil einer künstlerischen Bewegung, die sich das Unbewusste, den Zufall und die Emergenz zunutze machen, um ein Theater zu schaffen, das sich jenseits der rationalen Logik entfaltet. In diesem Modul lernen die Teilnehmenden, diesen Aspekt des Improvisationstheaters zu verstehen und zu nutzen. Sie finden eine eigene innere Verortung im künstlerischen Feld und eine Grundlage für eigene künstlerische Entscheidungen.

  • 14. Laban Techniken – Grundqualitäten des Ausdrucks

    Rudolf von Laban entwickelte ein System universeller Ausdrucksformen, das für das Improvisationstheater interessant ist, weil es gleichzeitig für die Figurenentwicklung, die Dialoggestaltung, die Sprache, die Stimme, den Rhythmus und Gesang angewendet werden kann. Vom Tanz kommend stellt Laban die körperliche Bewegung in den Mittelpunkt und leiten alles andere davon ab. Die Teilnehmenden lernen Teile seines Systems kennen und anzuwenden, die für das Schauspiel relevant sind.

  • 15. Das Publikum und die Feedback-Schleife

    Die Beziehung zum Publikum ist geprägt von Abhängigkeit von Publikumserwartungen und einem kreativen Umgang mit diesen Erwartungen. Die Teilnehmenden lernen, in der eigenen Rolle gegenüber dem Publikum klar zu werden, Interaktionen zu steuern, Publikumsvorgaben zu holen und zu «bedienen». Gleichzeitig finden sie zu einer künstlerischen Position, die nicht einfach darin besteht, dem Publikum zu geben, was es will, sondern im richtigen Moment darzustellen, was man als Künstler:in ausdrücken möchte.

  • 16. Spiel/Spiel/ Kapitulation

    Spiele oder Games sind irgendwann ausgespielt oder müssen gebrochen werden. Das Beenden eines Games und der Übergang zu einem neuen Game gehören zu den schwierigsten Manövern der Improvisation. In diesem Modul lernen die Teilnehmenden, Spiele so stark zu steigern, dass eine «Kapitulation» möglich wird. Sie bekommen ein Gefühl dafür, wie stark die Energie einer Kapitulation sein kann, wie sehr sie mit dem theatralen Konzept der Katharsis verknüpft ist, und wie wichtig es für die Entwicklung als Spieler:in ist, Kapitulation nicht zu faken und keine falsche Kapitulation des Spielpartners zu akzeptieren.

  • 17. Dark Play

    Die Wirklichkeit steht in einem Spannungsverhältnis zum Spiel, insbesondere zur angenommenen Harmlosigkeit des Spielens. In diesem Modul lernen die Teilnehmenden, dass es auch andere Konzepte des Spiels gibt, die durchaus auch düstere Seiten umfassen, wie Gewaltspiralen, Rachespiralen, eskalierende soziale Konstellationen. Sie setzen sich mit dem Konzept des Dark Play von Richard Schechner auseinander und lernen, dies für ihr eigenes Spiel zu nutzen.

  • 18. Würde und Professionalität

    Im professionellen Feld zu agieren, setzt eine Klarheit in der eigenen professionellen Rolle voraus. Die Teilnehmenden bereiten sich auf mögliche Situationen im kulturellen Arbeitsumfeld vor: Verhandlungen mit Auftraggebenden, Positionierung gegenüber Konkurrent:innen, Vertragsgestaltung und Fragen der beruflichen Selbständigkeit werden geklärt und wo immer möglich durchgespielt.

  • 19. Spontanität zurückgewinnen

    Mit dem Aufbau von Professionalität können (und werden) die Spontanität und der Impro-Mindset Schaden nehmen, weil sie in Spannung stehen zum Anspruch, punktgenau Qualität abzuliefen und Erwartungen zu bedienen. In diesem Modul lernen die Teilnehmenden, wie sie sich aus solchen Phasen wieder herausarbeiten können und wieder zu ihren eigenen Grundlagen zurückfinden können. Sie formulieren für sich die entsprechenden Leitprinzipien und verankern sie möglichst tief in sich.

  • 20. Freude, Furchtlosigkeit und Mitgefühl

    Drei Prinzipien reichen, um eine Verankerung der eigenen künstlerischen Position zu haben. Mehr Prinzipien werden schnell zu komplex. In diesem Modul reduzieren die Teilnehmenden ihre Leitprinzipien auf möglichst wenige und wenden sie praktisch auf der Bühne an, indem sie ein entsprechendes Format als «Abschlussarbeit» präsentieren.

Anmeldeinformationen

Das Kleingedruckte

Zielgruppe: Bühnenerfahrene Menschen, wie semiprofessionelle Improtheaterspielende, bereits ausgebildete Schauspieler*innen, Theaterpädagog*innen und erfahrene Theateramateure, die für sich und ihre Arbeit eine höhere Professionalität und Qualitätsentwicklung anstreben und sich in der Improvisationskunst weiterbilden möchten.

Zeiten: Alle Lerneinheiten finden Samstag & Sonntag 10-17 Uhr statt, mit jeweils 8 Unterrichtsstunden

Insgesamt stehen 320 von uns geleitete Unterrichtsstunden und zusätzlich einige individuelle Selbstlernphasen auf dem Lehrplan

Termine 2023: 11./12. Feb.; 11./12. März; 1./2. April; 6/7. Mai; 3./4. Juni; 1./2. Juli; 2./3. Sept.; 7./8. Okt.; 4./5. Nov.; 2./3.Dez.

Termine 2024: 3./4. Feb.; 2./3. März; 6./7. April; 4./5. Mai; 1./2 Juni; 6./7. Juli; 7./8. Sept.; 5./6. Okt.; 2./3. Nov.; 7./8. Dez.

Gruppengröße: 12 TN

Kosten & Zahlungsweisen:

4.860 € zahlbar in 2 Raten á 2.430 € zu Jahresbeginn.

oder:

5.280 € zahlbar in 8 Raten á 660 € zum Quartalsbeginn.

Voraussetzungen: Praktische Auftritts- und Probenerfahrung von klassischem Schauspiel und/ oder Improvisationstheater (mind. 3 Jahre).

Aufnahmeverfahren: Deine formlose Bewerbung sollte uns einen ersten Eindruck von Dir ermöglichen. Lasse uns in einigen Sätzen wissen wer Du bist, welchen Hintergrund Du hast und was Dich dazu motiviert, mit uns auf diese Weiterbildungreise zu gehen. Anschließend wirst Du zu einem persönlichen Gespräch (Videokonferenz) mit uns eingeladen, da ist Platz für gegenseitiges Fragestellen und Du erfährst, was Dich erwartet.

Ein Casting für die Aufnahme in die Ausbildungsgruppe führen wir nicht durch. Wir stellen nach eigenen Kriterien eine ausgewogene und gut funktionierende Ausbildungsgruppe zusammen.

Ausbildungsleitung

Gunter Lösel ist Improvisationsschauspieler, Theatermacher, Theaterforscher an der Zürcher Hochschule der Künste, Autor & Psychologe.

Nicole Erichsen ist Schauspielerin, Trainerin für Theater & Angewandte Improvisation & Systemische Coach

 

Bei weiteren Fragen, Anregungen oder Wünschen an uns gerne einfach melden. 

                                        Nachricht an uns     

 

Weitere Informationen:

Gunter Lösel - Tel. 0177 5531 869 http://www.gunterloesel.theater

Nicole Erichsen - Tel. 0152 0655 3025 http://www.nicoleerichsen.de